Venusdurchgang

Wien / Sterngarten Georgenberg, 08. 06. 2004

Beobachter:Wolfgang Vollmann
Datum:08. 06. 2004
Zeit:07.00 bis 13.30 MESZ
Ort:Wien / Sterngarten Georgenberg
Geogr. Länge:16°15'13,0" Ost
Geogr. Breite:48°08'49,7" Nord
Seehöhe:331
System:
Instrument:Refraktor 130/1040mm (Astrophysics Starfire 130EDT)
Bedingungen:

Durchsicht:sehr gut (1)
Seeing:sehr gut (1)
Bemerkungen:Seeing anfangs sehr gut, gegen Mittag mässig.

Bericht:

Als Bub vor 30 Jahren las ich von beeindruckenden astronomischen Ereignissen, die vorausberechenbar waren: dazu gehörten die Erscheinung des Kometen Halley 1986, die totale Sonnenfinsternis vom 11.Aug.1999 und den Venusdurchgang vom 8.Jun.2004. Jetzt habe ich alle diese Ereignisse selbst gesehen! Irgendwie ein beunruhigendes Zeichen dass ich älter werde....

Ich beobachtete wie beim Merkurdurchgang am 7.Mai 2003 (siehe Beobachtungsbericht und die Fotos von Wolfgang Valentin) im Sterngarten Georgenberg mit meinem Refraktor 130/1040mm mit Baader AstroSolar Filterfolie vor dem Objektiv. Das Wetter war perfekt: keine Wolke am Himmel, erst zu Mittag zogen einige kleine Wölkchen vorüber, die aber nicht störten. Auch die Luftunruhe (das Seeing) war morgens sehr gut und nur etwa eine Bogensekunde. Im Lauf des Vormittags wurde es immer schlechter und zu Mittag um die Zeit des Austritts der Venus war es schon deutlich sichtbar und betrug etwa fünf Bogensekunden. Für Wien lautete die Vorausberechnung: Eintritt 7h19m51s MESZ bis 7h39m35s (1. und 2.Kontakt); Austritt 13h03m43s bis 13h23m08s (3. und 4.Kontakt) (siehe Sternenbote 6/2004).

Ein kleines Beobachtungsprojekt war für mich ob und wie Venus mit freiem Auge und "Sonnenfinsternisbrille" sichtbar ist. Ergebnis: erstmals sah ich Venus mit freiem Auge um 7h28,6m MESZ, letztmals um 13h01,4m. Ich habe sicher nicht die Extremwerte gesehen, da ich zu dieser Zeit mit der Beobachtung des Ein- bzw. Austritts am Fernrohr beschäftigt war. In den Stunden um die Mitte des Transit war Venus leicht und deutlich mit freiem Auge sichtbar. Ich konnte sie sogar als winziges Scheibchen, nicht nur als Punkt wahrnehmen.

Den Eintritt verfolgte ich bei sehr gutem Seeing bei 165x. Den 1.Kontakt habe ich verpasst: erst um 7h20m37s MESZ bemerkte ich die deutliche "Delle", die Venus in den Sonnenrand machte. Danach zog Venus immer weiter in die Sonne hinein. Zwischen 7h22m und 7h38m, besonders um 7h32m herum bemerkte ich immer wieder dass Venus von einem schmalen hellen Ring umgeben war. Dadurch war das ganze Venusscheibchen sichtbar, auch der Teil der noch ausserhalb der Sonnenscheibe lag. Ich zweifelte an meiner Wahrnehmung und bin nicht ganz sicher ob mich die Tendenz, das Scheibchen zu einem ganzen Ring zu verbinden hier nicht irregeführt hat. Andererseits habe ich den Lichtring ausserhalb der Sonne immer wieder für mehrere Sekunden gesehen. Das Phänomen könnte also tatsächlich in der Venusatmosphäre und nicht in meinem Fernrohr oder meiner Wahrnehmung aufgetreten sein. Den 2.Kontakt beobachtete ich bei sehr ruhiger Luft. Ein "schwarzer Tropfen" als sehr dunkle Verbindung zwischen Venus und Sonne war nicht zu sehen. Wie beim Merkurdurchgang 2003 gab es aber eine graue durchsichtige Verbindung zwischen Venus und Sonne. Wenn ich den 2.Kontakt beurteile, trat er um 7h39m09s MESZ ein, wenn ich das runde Venusscheibchen und seine Berührung mit dem Sonnenrand nehme. Der graue gazeartige Schleier zwischen Venus und Sonnenrand riss um 7h39m37s MESZ ab: danach war eindeutig nur mehr Sonne zwischen Venus und Sonnenrand sichtbar. Die angegebenen Zeiten sind um wenige Sekunden unsicher, genauer konnte ich das nicht beurteilen.

Während dem Durchgang konnte ich Venus sehr vielen Besuchern im Fernrohr zeigen. Besonders das Übersichtsokular bei 35-facher Vergrösserung erwies sich als gut geeignet. Es zeigte auch insgesamt 22 Flecke in 3 Gruppen (R=52), einige Fackelfelder und die Andeutung der Sonnengranulation. Bei 70x war die Granulation aber deutlich besser sichtbar. Venus zeigte während des Durchgangs bei Vergrösserungen zwischen 104 und 165x immer wieder einen helleren breiten Rand innerhalb des dunklen Scheibchens. Das dürfte aber durch Überstrahlung zustande kommen. Im exzellenten 180/1620mm Refraktor von Wolfgang Valentin gleich nebenan beobachtete ich immer wieder bei Vergrösserungen zwischen 80 und 240x die Venus. Das dort verwendete Herschelprisma zeigte das Detail bei höherer Vergrösserung besser als die Sonnenfilterfolie, besonders bei Vergrösserungen über 100x. Der hellere breite Rand war in diesem Fernrohr während des Durchgangs nicht zu sehen. Die Granulation kam noch viel deutlicher heraus.

Beim Austritt war das Seeing durch die Tageserwärmung nicht mehr gut: der Sonnenrand flimmerte deutlich. So verwendete ich nur 104-fache Vergrösserung. Bei der Annäherung der Venus an den Sonnenrand bildete sich wieder die graue schleierartige Verbindung aus: ich bemerkte sie ab etwa 13h03m40s MESZ. Den 3.Kontakt beurteile ich mit 13h03m49s. Danach war der Austritt sehr schön zu sehen. Wie beim Eintritt bemerkte ich dass ein schmaler heller Venusrand das bereits teilweise aus der Sonne tretende Venusscheibchen auch ausserhalb der Sonne sichtbar werden liess; diese Wahrnehmung war in den zwei oder drei Minuten um 13h08m herum besonders auffallend. Den 4.Kontakt konnte ich nur auf bestenfalls 5 Sekunden Genauigkeit messen: gegen 13h23m16s verlor ich die letzte Spur des Venusscheibchens im flimmernden Sonnenrand.

Es war eine wunderbare Beobachtung mit Wetterglück und angenehmer Atmosphäre: ein Durchgang ist bis auf die Ein- und Austrittszeiten etwas sehr Geruhsames! Mein gleich neben dem Fernrohr aufgestellter Sonnenschirm war jedenfalls eine gute Idee!

Als Ergänzung zu meinem Beobachtungsbericht sende ich hier noch die Auswertung der Kontaktzeiten.

Auf der ESO/IMCCE Webseite zur Auswertung der Ergebnisse des Venusdurchgangs http://vt2004.imcce.fr/vt2004i/Index.php bzw. auf Deutsch http://venus.kso.ac.at/observ1.html ergeben sich für meine Beobachtungen:

In this table you get for each of timed contacts: the value of the average distance of the Earth from the Sun (astronomical unit, AU) calculated from your measures, the corresponding value of the angle under which would be seen the Earth radius from the center of the Sun (Solar parallax pi), their shifts from the exact values delta(AU) et delta(pi), the percentage of error of these values. At the bottom of the table, you get the average value of the whole set of measurements.

Instants (UTC) AU (km) pi ('') delta(AU) (km) delta(pi) ('') Error (percent)
1 05 h 20 m 37.00 s 149926715 8.7749 328845 0.0193 0.220 
2 05 h 39 m 37.00 s 149648934 8.7911  51064 0.0030 0.034 
3 11 h 03 m 49.00 s 149592594 8.7945   5276 0.0003 0.004 
4 11 h 23 m 16.00 s 149498668 8.8000  99202 0.0058 0.066 

Average AU = 149666728 km
Average pi = 8.7901 ''
Average error = 0.046 percent

Ergebnis: die Astronomische Einheit (mittlere Entfernung der Erde von der Sonne) beträgt also 149,6 Millionen Kilometer, wenn man nur den genauer bestimmbaren 2. und 3.Kontakt heranzieht.