International Space Camp

22. - 29. Juli 2006, Huntsville, Alabama (USA)


Eine Woche im Space Camp

Es begann mit einem Aufsatzwettbewerb, an dem mein Schüler, Reinhard Tlustos, 17, (seit 3 Jahren Mitglied der WAA) teilnahm. Mit seinem Aufsatz über das Galileo Satellitennavigationssystem, abgefasst in englischer Sprache, gewann er die Teilnahme am International Space Camp in Huntsville, Alabama, für sich und einen Lehrer (mich). (Der Aufsatz ist auf der Homepage unserer Schule nachzulesen.) Der zweite Hauptpreis ging an Riccarda Erhart, Schülerin am GRG 23 in der Draschestraße, ebenfalls im 23. Bezirk. Ein Zufall, denn der Wettbewerb war für ganz Österreich ausgeschrieben. Es war uns allen nicht ganz klar, was da auf uns zukommen würde. Auf jeden Fall waren wir sehr gespannt und freuten uns riesig über diese einmalige Gelegenheit.

Huntsville ist eine Stadt mit großer Geschichte. Wernher von Braun arbeitete dort an den Raketen, welche den ersten amerikanischen Astronauten ins All und letzlich die USA bis zum Mond und weiter brachten. Das Marshall Space Flight Center in Huntsville ist bis heute eines der wichtigen Forschungs- und Entwicklungszentren der NASA.

Das U.S. Space & Rocket Center in Huntsville besteht aus einem hochinteressanten Museum über die Geschichte der Raumfahrt, einem Raketenpark und den Gebäuden des Space Camps. Letzteres soll Kindern und Erwachsenen die Möglichkeit geben, für einige Tage "Astronautenluft" zu schnuppern und aus erster Hand zu erfahren, was es bedeutet, im All zu arbeiten.


Das Logo des Centers


Die Mercury brachte den ersten amerikanischen Astronauten ins All


Attrappe der Saturn V


Eine echte Saturn V wartet auf ein neues Ausstellungsgelände


Im Museum: die echte Apollo 16 Kapsel ...


... und die Mondlandefähre mit Mondauto.

Gleich nach unserer Ankunft mussten Reinhard und ich uns von einander verabschieden. Schüler und Lehrer hatten völlig getrennte Programme. Wir trafen uns nur sporadisch. Das International Space Camp unfasste dieses Jahr amerikanische "Teacher of the Year" aus 48 US Bundesstaaten sowie fünf US Territorien und 24 internationale Lehrer aus europäischen, asiatischen und pazifischen Staaten. Jeder der internationalen Lehrer brachte so wie ich zwei Schüler mit. Zu diesen 48 kamen noch einige amerikanische Schüler.


Die Lehrer sind auf dem Campus der University of Alabama at Huntsville untergebracht.

Am Samstag Abend begann das Programm mit der Eröffnungszeremonie, bei der jede Gruppe ihr Land repräsentieren sollte. Reinhard und Riccarda hatten dazu bereits in Wien fleißig Walzertanzen geübt. Und es hat sich gelohnt! Ein perfekter Handkuss und ein paar Takte Wiener Walzer brachten der österreichischen Delegation als einziger Szenenapplaus! Auch später wurden wir immer wieder auf diese nette Präsentation angesprochen.


Ein leider verwackelter aber perfekter Handkuss.


Alles Walzer!

Ab Sonntag begann dann das eigentliche Programm. Wir Lehrer wurden in Teams zu 15 oder 16 Personen eingeteilt, jedes Team hatte den Namen eines Moduls der Internationalen Raumstation ISS. Ich war Mitglied des Teams "Zarya" (das erste Modul der ISS) gemeinsam mit Kollegen aus den Niederlanden, Russland, der Tschechischen Republik, Norwegen, Singapour und 10 US Bundesstaaten. Im Laufe der Woche musste jedes Team ein Missionslogo (ein sogenanntes Mission Patch) gestalten. Dank der Computergrafikkünste von Ron aus New Mexico wurde unseres besonders hübsch.


Team ZARYA Mission Patch

Ein Teil des Programms bestand aus zahlreichen interessanten Vorträgen und Workshops. Unter anderem erzählten zwei Astronauten über ihre Erfahrungen und Erlebnisse im Space Shuttle und auf der ISS. Besonders beeindruckend war die Schilderung von Frank L. Culbertson, der über vier Monate auf der ISS verbrachte. Er erlebte den 11. September 2001 im All - auch aus dieser Entfernung ein erschütterndes Ereignis.


Das brennende World Trade Center aus dem All

Ein weiteres Highlight - besonder für mich als Weltraum-interessierte Historikerin - war der Vortrag von drei ehemaligen Raketenwissenschaftlern, die mit Wernher von Braun nach Amerika kamen und mit ihm hier arbeiteten.


Drei betagte Herrn, die Geschichte machten

Zwischen den einzelnen Programmpunkten, auf dem Weg von einem Gebäude zum anderen, blieb immer wieder der Blick an dem beeindruckendsten Ausstellungsstück hängen: dem Space Shuttle Pathfinder, einer Shuttleattrappe, die für verschiedene Tests verwendet wurde.


Unter dem Shuttle durch - unser täglicher Spaziergang zum Essen


Die gewaltigen Treibwerke des Shuttles


Jeden Tag wieder ein beeindruckender Anblick

Am meisten Spaß hatten wir alle an den beiden "Missionen", die wir als Team Zarya an den Simulatoren durchführten. Wir wurden auf Bodenstation, Shuttle und ISS aufgeteilt und hatten dort unsere Aufgaben zu erfüllen. Ein genaues Skript half uns, zur richtigen Zeit die richtigen Kommandos zu geben - und es klang recht professionell. Zwei Betreuer vom Space Camp gaben uns mit verschiedenen Fehlermeldungen immer wieder Nüsse zu knacken. Aber wir brachten beide Missionen gut zu Ende und landeten das Shuttle wieder sicher - oder zumindest ließen sie uns in dem Glauben.


Mission Control


Im Sessel des Shuttle Commanders


Das Cockpit des Shuttles


Und wo ist L1 FLASH EVAP CONTROLLER GPC?????


Landung!

In der zweiten Mission durfte ich mit dem Kollegen aus Russland einen "Weltraumspaziergang" machen. Im Fachjargon heißt das EVA - extra vehicular activity. Mit Hilfe eines speziellen Hängegestells wurde eine Art Schwebezustand simuliert und wir mussten eine Stangenkonstruktion zusammenschrauben. Gar nicht so einfach. Die Kühlwesten, die wir dazu bekamen, brauchten wir wirklich!


Beim "Spacewalk"


Gar nicht so einfach

Weitere Aktivitäten waren eine simulierte Fallschirmlandung im Wasser, ein kurzer Ritt auf dem Multi-Axis-Trainer und ein paar Hüpfer mit dem 1/6 Gravity Chair. Es wurde uns sicher nie langweilig! Die Schüler durften noch einige weitere Simulationen und längere Missionen mitmachen.


Anschnallen ...


... und los geht es - 45 turbulente Sekunden!

Am Ende der Woche kam für uns Lehrer der krönende Abschluss: Die Firma Northrop Grumman, die an der Konstruktion eines neuen Shuttles, dem Crew Exploration Vehicle, arbeitet, sponserte für alle Lehrer eine Parabelflug. Bei diesem Flug wird insgesamt 15 Mal Schwerelosigkeit erreicht. Als ich im Mai von dieser einmaligen Gelegenheit erfuhr, war ich zwar schnell entschlossen, sie zu nutzen, doch ich hatte gemischte Gefühle. Würde ich das gut überstehen? Immerhin fühle ich mich bald unwohl, wenn es auf einer Hochschaubahn zu wild rund geht. Doch alle Sorgen waren unbegründet. Wir wurden von Mitarbeitern der Parabelfluggesellschaft ZERO G bestens darüber informiert, was uns da erwartet und die Art, wie diese Flüge durchgeführt werden, ist so magenschonend, dass wir es alle bis zum Schluss genießen konnten.


Das Flugzeug der ZERO G Gesellschaft


Der Innenraum - zum Schweben ausgeräumt


Das erste von vier ZERO G Flugteams

Den Start absolviert man in ganz normalen Flugzeugsitzen im hinteren Teil des Flugzeugs. Sobald das Flugzeug die richtige Flughöhe erreicht hat, legt man sich auf den Boden und wartet. Da es keine Fenster gibt, merkt man von den Flugmanövern wenig. Die Flugbahn muss man sich wie einen Sprung über eine imaginäre Rampe vorstellen. Am Beginn jeder Parabel (die "Rampe" bergauf) erreicht man 1,8 faches Gewicht. Da ist es schon ganz angenehm, zu liegen. Sobald das Flugzeug die Kuppe der Kurve erreicht, beginnt man leichter und leichter zu werden und innerhalb von wenigen Sekunden ist man schwerelos. Nun genügt bereits eine kleine Bewegung und man steigt in die Höhe. Es ist ein unbeschreibliches, tolles Gefühl, das leider viel zu schnell vorbei ist. Nach 25 Sekunden heißt es "Feet down! Get down!" und man legt sich schnell nieder. Während das Flugzeug nach unten fliegt und für die nächste Parabel Schwung holt erreicht man wieder 1,8 g. Insgesamt flogen wir 15 Parabeln in vier Blöcken mit kurzen Pausen dazwischen. Die erste davon mit 1/3 g (simuliert die Anziehungskraft des Mars) und dann einige mit 1/6 g (Anziehungskraft des Mondes). Die anschließenden 10 Parabeln mit Schwerelosigkeit (oder korrekterweise Mikrogravitation) vergingen viel zu schnell. Es gelang mir jedoch, das auszuprobieren, worauf ich besonders neugierig war: ich spritzte ein bisschen Wasser aus einer Flasche und versuchte die Wasserkugel einzufangen. Einmal ist es mir gelungen!


Ein Wasserkugerl unterwegs ...


Und dieses erwisch' ich!

Im Flugzeug hingen Kameras, die unsere recht chaotischen Aktionen mitfilmten. Die Firma ZERO G schickte jedem Teilnehmer eine DVD mit seinem Flug zu. Ein wervolles Souvenier, das ich mir wieder und wieder anschaue.

Das Space Camp war für mich ein unvergessliches Erlebnis, das mir lang nicht aus dem Kopf gehen wird. Neben all der Information und den spannenden Dingen, die wir tun durften, war es auch schön, Kollegen aus so vielen Ländern kennen zu lernen und ich war stolz darauf, Österreich dort vertreten zu dürfen. Ich hoffe, es werden sich auch in den nächsten Jahren Raumfahrt-begeisterte Jugendliche und LehrerInnen finden, um Österreich auch weiterhin beim International Space Camp zu repräsentieren. Und vielleicht kommt aus den Reihen dieser Schüler und Schülerinnen der nächste Austronaut.