Himmelsbegegnungen

Doppelsichtbarkeit der Venus, März 2025

Alexander Pikhard

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Die untere Konjunktion der Venus am 23. März 2025 findet auf einer rekordverdächtigen ekliptikalen Breite von 8,4° Nord statt, das bedeutet in höheren nördlichen Breiten eine Doppelsichtbarkeit am Abend- und am Morgenhimmel für einige Tage um die untere Konjunktion - während der Venus also beobachtbar bleibt.

Sichtbarkeitsverlauf

Während Venus ihre Abendsichtbarkeit beendet ...


Verlauf der Abendsichtbarkeit der Venus (gemeinsam mit Merkur) von 13. bis 21. März 2025 jeweils zum Ende der bürgerlichen Abenddämmerung

... beginnt schon die neue Morgensichtbarkeit:


Verlauf der Abendsichtbarkeit der Venus (gemeinsam mit Merkur) von 18. bis 31. März 2025 jeweils zum Beginn der bürgerlichen Morgendämmerung

Die eigentliche untere Konjunktion am 23. März fällt schon in die Morgensichtbarkeit, doch das ist nur ein Detail.

Räumliche Situation

Betrachten wir unser Sonnensystem "von oben", also aus Richtung des nördlichen Pols der Ekliptik (dieser liegt im Sternbild Drache ganz nahe dem Katzenaugennebel NGC 6543), so sieht es zunächst nach einer ganz normalen unteren Konjunktion aus, in der Erde, Venus und Sonne auf einer Linie stehen - wie auch bei den Venustransits vom 6. Juni 2004 und 8. Juni 2012.


Lage der Planeten Venus und Erde im Sonnensystem zum Zeitpunkt dieser unteren Konjunktion, Blick von Norden auf die Ebene der Ekliptik.
Erstellt mit dem Orbit Diagram des NASA JPL Small Body Database Lookup.

Doch die Bahn der Venus ist zu jener der Erde um einen Winkel von 3,4° geneigt. Das ist recht viel und wirkt sich vor allem in der unteren Konjunktion aus, denn dann hat Venus den geringsten Abstand zur Erde.


Lage der Planeten Venus und Erde im Sonnensystem zum Zeitpunkt dieser unteren Konjunktion, Blick von vorne aus der Ebene der Ekliptik.
Deutlich ist die Neigung der Venusbahn zu erkennen, während die Erdbahn jetzt flach erscheint.
Erstellt mit dem Orbit Diagram des NASA JPL Small Body Database Lookup.


Lage der Planeten Venus und Erde im Sonnensystem zum Zeitpunkt dieser unteren Konjunktion, Blick von der Seite aus der Ebene der Ekliptik.
Deutlich ist die Neigung der Venusbahn zu erkennen, während die Erdbahn jetzt flach erscheint.
Erstellt mit dem Orbit Diagram des NASA JPL Small Body Database Lookup.

Damit wird deutlich, dass Erde, Venus und Sonne in Wirklichkeit nicht auf einer Geraden liegen und warum Venus in dieser unteren Konjunktion so weit nördlich der Sonne steht.

Himmelsgeometrie

Warum tritt diese Situation nicht bei jeder unteren Konjunktion auf?

Zwei Gründe sind ausschlaggebend: Erstens findet nicht jede untere Konjunktion in dieser extremen Scheitellage der Venusbahn statt. Es gibt auch untere Konjunktionen nahe den Knoten der Venusbahn, dort wo die Bahn der Venus die Ebene der Erdbahn schneidet. Bei solchen unteren Konjunktionen kann es zu einem Venustransit kommen, wie zuletzt 2004 und 2012 und das nächste Mal 2117.

Zweitens kommt es auch darauf an, wann und wo am Himmel die untere Konjunktion stattfindet. Das ist etwas komplizierte Himmelsgeometrie. Es stellt sich auch die Frage, warum ist Venus von 18. bis 21. März sowohl am Abend als auch am Morgen zu sehen, wenn die untere Konjunktion doch erst am 23. März ist?

Um in der Dämmerung mit freiem Auge gesehen werden zu können, muss Venus mindestens vier Grad höher stehen als die Sonne. Am 20. März steht Venus fast 9° nördlich der Sonne und das bedeutet für Wien mit einer geografischen Breite φ = 48° folgendes (die Formeln sind Näherungsformeln für kleine Winkel):


Die Situation am 20. März, wenn Venus genau nördlich der Sonne steht.
Die Höhendifferenz ist sowohl am Abend als auch am Morgen groß genug für eine Freisichtigkeit.

Die Ekliptik ist um einen Winkel ε ca. 23° (Ekliptikschiefe) zum Himmelsäquator geneigt. Die Ekliptik steht Ende März am Abend steil, am Morgen flach zum Horizont. Aufgrund dieser Lage ist die Venus bis knapp vor der unteren Konjunktion am Abendhimmel, aber schon einige Tage vor der unteren Konjunktion am Morgenhimmel zu sehen.


Die Situation am 23. März, wenn Venus in ekliptikaler Konjunktion zur Sonne steht, ekliptikale Breite 8,4° Nord.
Am Abendhimmel geht sich wegen der steilen Ekliptik (grün) keine Sichtbarkeit mehr aus, am Morgenhimmel
dagegen bewirkt gerade die flach liegende Ekliptik, dass sich die ekliptikale Breite gut auswirken kann.

Beobachtung

Genug der Theorie. Fakt ist, dass Venus ohne Übergang von der Abend- in die Morgensichtbarkeit zu sehen ist, sogar während der unteren Konjunktion. Wie sieht Venus dann eigentlich aus?

In unterer Konjunktion kommt Venus mit 42 Mio. km der Erde so nahe wie kein anderer Planet es jemals kann. Venus ist nur etwas kleiner als die Erde und erreicht so einen scheinbaren Durchmesser von etwa einer Bogenminute, das ist größer, als jeder Planet es je werden kann und entspricht in etwa dem Auflösungsvermögen des freien Auges.

Aufgrund ihres geringen Winkelabstands von der Sonne erscheint Venus aber auch als extrem dünne Sichel, der Planet wird ja quasi von hinten beleuchtet. Ein toller Anblick, der im Fernrohr leicht zu erkennen und zu fotografieren ist.


Foto der Venus in unterer Konjunktion am 18. August 2007, aufgenommen von Michael Karrer

Eine hauchdünne Sichel an der Auflösungsgrenze für das freie Auge -- das ist eine besondere Herausforderung! Mit einem Fernglas sollte die Sichelgestalt der Venus schon zu erkennen sein, im Fernrohr auf jeden Fall. Venus ist in unterer Konjunktion aufgrund ihrer Elongation auch am Tag zu sehen, allerdings nicht mit freiem Auge. Achtung, unbedingt Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, um nicht direkt in die Sonne zu blicken.

Ishtar-Periode

Aufgrund ihrer kreisrunden Bahn und aufgrund der Tatsache, dass Venus und Erde die Sonne in einer stabilen Resonanz umkreisen (13 Umläufe der Venus entsprechen 8 Umläufen der Erde um die Sonne) erscheint Venus alle 8 Jahre an der gleichen Stelle des Himmels, aber rund 1½ Tage früher. Diese Regelmäßigkeit war schon den Babyloniern bekannt. Bei ihnen repräsentierte der helle Planet die Göttin Ishtar und sie nannten diese markante Periode daher Ishtar-Periode.

Ihr verdanken wir also, dass sich auch diese Doppelsichtbarkeit der Venus in regelmäßigen Abständen wiederholt. Die letzte war im März 2017 (untere Konjunktion am 25. März), die nächste wird im Jahr 2033 eintreten (untere Konjunktion am 20. März).

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